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Balladen und Geschichten von der Liebe und Ähnlichem

  

      

  

 

Die Mondgondel

 

Tief am Himmel wiegt des Mondes Sichel sich

gleich einer Gondel auf dem Meer.

Glitzerndes Feuerwerk versprüht

mit ihrem hell'n Glanz das Sternenheer.

 

Ein Gondoliere stößt seinen Ruderstab

machtvoll in die Dunkelheit.

Eine maskierte Frau sitzt auf der Bank

im Boot, weit wallend fällt ihr Kleid.

 

Das Sternenwasser taucht bis zu mir,

lädt ein zur Gondelfahrt

und ich gehe bis zum Rand der Erde,

wo die Gondel auf mich harrt.

 

Ich steige ein, es grüßt

die Maskierte mit einladender Geste.

Ich setze mich an ihre Seite,

frage: "Wohin? Zu einem Feste?"

 

Sie schweigt, nur der Gondoliere

singt sein Lied.

Das Sichelboot schwebt fort,

fern tönt Musik.

 

Zu einem Sternenpalast

steuert der Gondoliere.

Das Boot legt an.

Maskierte Gäste bilden Spalier.

 

Die Maskierte wird begrüßt, gefeiert

von den Gästen am Strand.

Ich folge, doch wieso bietet

mein Körper kein' Widerstand.

 

Ich bleib allen verborgen,

durch mich hindurch alle gehen,

allein die Maskierte

scheint mich zu sehen.

 

Sie fordert zum Tanze.

Ihre Augen sie auf mich richt't.

Doch da dringt durch die Maske

für Momente ein Fratzengesicht.

 

Ich erschrecke

und stürze fort.

Ich laufe zur Gondel

und springe an Bord.

 

Da berührt mich

an der Schulter eine Hand.

Ich dreh mich um. Sie ist es.

Sie steht noch auf Land.

 

Sie sagt nur "Bleib!"

Ein einziges Wort.

Ihre Augen flehen:

Geh bitte nicht fort!

 

Neugier und voller Angst

- es ist ein böser Traum -

geh ich mit ihr. Da tret ich

auf ihres Kleides Saum.

 

Das Kleid fällt und

vor mir steht eine grässliche Gestalt.

Sie bittet: "Nimm mich

in die Arme, schnell und bald!"

 

Entsetzt will ich fliehen:

"Bin ich unter Höllengesinde?"

Sie brächten dich um, wär ich

sichtbar", ich ängstlich empfinde.

 

"Es bleibt nur wenig Zeit!"

sagt sie und sucht meine Blicke.

"Ohne Kleider darf keiner sein.

Sie kommen, mich zerreißend in Stücke."

 

Nochmals: "Umarm mich!"

Ihre Augen bitten stumm.

Sie zittert. Ist hier der Glanz

der Hölle? Ich schau mich um.

 

Da! Ein Ruf. Viele Finger!

Hämisches Gelache.

Wirklich alle machen gegen sie

gemeinsame Sache.

 

Ich reiß sie an mich.

Sie fühlt sich zottig an und kalt.

Da merk ich mit den Händen,

das Scheusal gewinnt menschliche Gestalt.

 

Bedrohlich rückt

das Heer der Masken an.

Doch da ein Zaudern,

verwirrt stoppt die Menge dann.

 

Durch die Masken wachsen Fratzen,

die laufen wild umher,

ihre irren Augen suchen,

doch sie finden uns nicht mehr.

 

Mit der Umwandlung zum Menschen

konnten die Maskierten uns nicht sehn.

Freudig unser Erstaunen:

Niemand verwehrt uns zu gehn.

 

"Komm!" sag ich, "verlassen

wir den garst'gen Ort!"

Ich nehme ihre Hände und

zieh sie zu der Gondel fort.

 

Wir springen ins Boot,

ihre Blöße bedeckt mit meinem Jacket.

Der Kahn legt ab, am Himmel

bald nur noch ein glitzernder Fleck.

 

Ich lehne mich an ihre Schulter,

geborgen fühle ich mich und wein,

durch die Kleidung spür ich ihre Wärme,

eigentlich sollt ich glücklich sein.

 

Die Gegenwart scheint zu entfliehen,

hat die Zukunft ein Gesicht?

Ich sitze still an ihrer Seite.

Dem Leben enthoben werden wir zu Licht.

  

© Winfried Kerkhoff

   

   

 

  

  

  

   

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