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Spitznamen

 
 

Einen Spitznamen zu haben, kann angenehm sein, ja eine Ehre oder - ein Ärgernis, sogar ein Fluch. Manchmal freut man sich an seinem Spitznamen. Der Spitznamen kann zum Kosenamen werden oder auch zu einem belastenden Schimpfwort, etwa durch Mobbing.  Solch ein Spitzname entsteht oft plötzlich; jemand hat etwas getan oder gesagt oder etwas ist an einem aufgefallen, eine Verhaltensweise oder eine vielleicht auch nur vorüber gehende Auffälligkeiten. Eine kleine verbale Äußerung reicht oft schon. Eine Verkürzung des Vor- oder Hausnamens - und schon ist der neue Name geboren. Man kann sogar mehrere Spitznamen nebeneinander tragen, denn oft sind sie an die soziale Umgangsgruppen gebunden. Manchmal sind sie zeit- oder an ein bestimmtes Lebensalter gebunden – oder sie verlieren sich.

In meiner Jugendzeit hatten Lehrer Spitznamen. Es gab da auf dem Gymnasium einen Englischlehrer, der „Le Petit“ von uns genannt wurde, obwohl wir kein französisch konnten. Ein Lateinpauker hieß Hammurabi; er war streng und eine fünf oder sechs in Latein zu bekommen, war ein Leichtes. Eine Pause in der Übersetzung des Lateinischen Textes zu Anfang der Unterrichts-Stunde reichte schon oft. Er war wirklich gnadenlos.

Auch von einem Polizisten in Burgsteinfurt kann ich berichten. Es war die Zeit, als ich dort wohnte, also kurz nach Ende des 2. Weltkrieges. Dieser Polizist hieß "langer Jesus": Er war schlank und groß, hatte zielsichere Fäuste. Die Verbrecher schlug er in Sekunden k.o., wenn sie ihn bei der Festnahme angriffen. Man erzählte sich die tollsten Geschichten. Heute Nacht hat er wieder zugeschlagen, hieß es dann, ihm entkommt keiner, alle kriegt er, auch wenn sie bewaffnet sind, er ist unheimlich schnell! Aber einer, der für die Gerechtigkeit kämpft.

Ich selbst hatte auch lange Zeit und eigentlich viele Spitznamen. Doch blieb keiner lange erhalten; das ist ja manchmal ein Leben lang. Bei meinen Schwestern hieß ich, als ich noch nicht zur Schule ging, "Bubi". Meine ältere Schwester nannte mich, als ich zur Schule ging "Fridolin"! Ich kann dafür keine Begründung anführen. Als Messdiener hatte ich eine Zeitlang den Spitznamen "Zwerg Nase", da ich immer der Kleinste unter meinen gleichaltrigen Kameraden war. Ich habe mich darüber sehr geärgert, aber ich konnte dem nicht entgegenwirken.

Als ich nach dem Kriegsende ins Gymnasium kam, hieß ich bei meinem sehr netten Deutschlehrer, den wir "Stalin" wegen seines Schnäuzers nannten, „abgebrochener Riese“. Dieser Name wurde von ihm mit großer Wärme ausgesprochen. Ein Spitzname wurde es für mich nicht. Doch hatte er noch einen anderen Namen für mich. Ich war damals sehr gut in der deutschen Grammatik, die wir bei diesem Lehrer sehr intensiv lernen mussten; mir machte das viel Spaß. Wenn es beim Abfragen der Regeln nicht so richtig bei den anderen Schülern klappte, sagte er: „Na, dann wollen wir doch mal das `kleine Mäuschen´ fragen" – das war ich. Ich konnte ihm deswegen nicht böse sein. Er war ein guter und freundlicher Lehrer, trotz seines Spitznamens; er war sehr traurig - so erzählte man damals -, als er von seinem Spitz irgendwann erfuhr. Er kam nämlich als Flüchtling aus dem Osten. Vielleicht hatte er böse Erinnerungen. Aber Spitznamen kennen kein Pardon! Was wussten wir Kleinen damals von Stalin; aufgeklärt hat uns ja keiner!

Zur gleichen Zeit nannte mich ein Kusin, der auch Kerkhoff hieß,   "Winnetou"; er wusste, dass ich gern Indianerbücher las und mir in unserem Garten eine Holzhütte gebaut hatte. Diesen Spitznamen behielt ich in der späteren Jugendarbeit, aber nur dort. Die begann als Gruppenleiter, als ich ca. 16 Jahre alt war. Ich erinnere mich an eine Situation, als wir im alljährlichen Zeltlager waren. Ich war damals Gruppenführer und war endlich gewachsen und hatte mir ganz wirksame Pakete Muskeln angearbeitet. Eine benachbarte Zeltgemeinschaft von Jungen entwendete uns in der Nacht die Kochgeschirre. Wir konnten unser Mittagsessen nicht abholen. Diese Jungen hatten sie als Siegesbeute versteckt und forderten uns auf: „Holt sie euch doch zurück!“ Das wollten wir dann auch. Auf dem Weg dorthin – zum anderen Lager – hatte ich plötzlich viele Jungen meiner Gruppe um mich; einer rückte ganz nah an mich heran und sagte: „Ich bleibe bei `Winnetou´!“ Ihm war wohl der Marsch zum anderen Lager nicht geheuer. Zum Streit kam es nicht, denn wir fanden unsere Geschirre an dem nahen Fluss Ems, wo wir unser Zeltlager hatten, unter einer Uferböschung.

Der Spitzname, den mir mein damaliger Deutschlehrer in Burgsteinfurt verpasst hatte, tauchte eines Tages in der Form von „Mausi“ wieder auf. Ich hieß im Tanzkurses so – damals war ich immerhin schon achtzehn - , und bei den Freundinnen und Bekannten meiner Freundin und Tanzpartnerin – Erika – blieb der Name lange Jahre noch, als wir schon erwachsen waren, hängen. Eins wunderte mich; gelegentlich wurde ich als Schüler in dem Gymnasium in Rheine mal so genannt. Aber durchgesetzt hat dieser Spitzname sich dort nie.

Auch ohne Spitznamen kann man ganz gut leben.